„Der große Wurf? Ausblick auf die Kodex-Reform 2019.“

von Dr. Martina Schmid, Rechtsanwältin und Partnerin bei CMS Hasche Sigle
Der Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Prof. Dr. Rolf Nonnenmacher, hat angekündigt, dass die Kommission noch in diesem Jahr den Entwurf eines überarbeiteten Kodex vorlegen wird. Primäres Ziel sei, die Akzeptanz des Kodex zu erhöhen. Wesentliche Änderungen betreffen dabei die Vorstandsvergütung und die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern.

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) blickt auf eine langjährige Geschichte zurück - liegt er doch zwischenzeitlich in der 13. Fassung seit seiner Einführung im Jahr 2002 vor. In den letzten Jahren wurden jedoch zunehmend die Lesbarkeit des Kodex und die teils sehr komplexen und kleinteiligen Empfehlungen und Formulierungen kritisiert. Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass sich nur noch Juristen mit dem Kodex beschäftigen, die primär angesprochene Unternehmensleitung jedoch häufig einen großen Bogen um das Regelwerk macht.

Die Regierungskommission möchte hier im Rahmen der anstehenden Kodexreform Abhilfe schaffen. Ziel sei, so der Kommissionsvorsitzende, den Kodex zum maßgeblichen Regelwerk für Corporate Governance in Deutschland zu machen und seine Akzeptanz und Relevanz zu erhöhen. Daneben sollen zur Förderung der Lesbarkeit kleinteilige Beschreibungen und bloße Gesetzeswiederholungen gestrichen werden („sharper and shorter“).

Einführung von Grundsätzen
Als neue Kategorie (neben den Empfehlungen und Anregungen des Kodex) sollen sog. Grundsätze in den Kodex aufgenommen werden. Beispiel hierfür ist der in § 76 Abs. 1 AktG enthaltene Grundsatz, dass der Vorstand das Unternehmen in eigener Verantwortung leitet. An solche Grundsätze sollen künftig die Kodexempfehlungen „angedockt“ werden. Über die Einhaltung der Kodexgrundsätze muss jedoch nicht in der Entsprechenserklärung berichtet werden. Vielmehr soll sich aus dem Gesamtsystem der Corporate Governance-Berichterstattung (Corporate Governance Bericht, Aufsichtsratsbericht und Entsprechenserklärung) ergeben, wie das Unternehmen die Grundsätze anwendet.

Schwerpunkte der anstehenden Reform sind die Vorstandsvergütung und die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern.

Vorstandsvergütung
Die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung soll laut Nonnenmacher zwar nicht entscheidend für eine gute Corporate Governance des Unternehmens sein, jedoch stelle sie nichtsdestotrotz einen Baustein der Corporate Governance dar und erlange insbesondere auch hohe Öffentlichkeitswirksamkeit. Die angedachten Änderungen im Bereich der Vorstandsvergütung stehen damit nicht zuletzt im Zusammenhang mit der starken Kritik an Vorstandsvergütungssystemen durch die Aktionäre. Im Jahr 2017 sank die Zustimmungsquote zu den Vorstandsvergütungssystemen der DAX-Unternehmen durchschnittlich auf unter 70 Prozent. Bei drei von acht DAX-Gesellschaften, die das Vergütungssystem auf die Tagesordnung genommen hatten, fiel es durch. Wesentliche Kritikpunkte waren häufig die fehlende Verständlichkeit der Vergütungsberichte, der mangelnde Zusammenhang von Vergütung und Leistung und das Fehlen von Claw-back-Klauseln in Vorstandsdienstverträgen.

Ziel der anstehenden Reform ist es daher, die Systeme zu vereinfachen, um Transparenz und Verständlichkeit zu erhöhen. Wie von der Aktionärsrechterichtlinie gefordert, soll die Vergütungspolitik die Geschäftsstrategie des Unternehmens fördern - dieser Zusammenhang soll künftig erläutert werden. Daneben soll das Vergütungssystem deutlicher herausstellen, welcher Zusammenhang zwischen Leistung und Vergütung besteht. Denn nicht zuletzt soll das Vorstandsvergütungssystem zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Vorstandsvergütung beitragen.

Zur Erreichung dieser Ziele soll die Ziel-Gesamtvergütung eines Vorstandsmitglieds definiert werden. Die variable Vergütung soll nach wie vor in kurz- und langfristige Elemente aufgeteilt sein, wobei es im Rahmen der langfristigen variablen Vergütung wesentlich auf die Umsetzung der strategischen Ziele ankommt. Die langfristige variable Vergütung soll in Aktien der Gesellschaft ausgezahlt werden, die für eine bestimmte Haltefrist nicht veräußert werden können. Angedacht ist auch die neue Empfehlung der Aufnahme einer Clawback-Klausel in den Vorstandsdienstvertrag.

Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern
Der zweite Schwerpunkt der Reform liegt bei der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. Hier soll der Kodex - anders als bisher - künftig eigene Grundsätze aufstellen. Denn eine Schwäche des Kodex liegt bisher darin, dass er keine konkreten Kriterien enthält, die bei der Einordnung eines Aufsichtsratsmitglieds als abhängig oder unabhängig helfen - anders als die teils sehr detaillierten Voting Guidelines von Investoren und Stimmrechtsberatern.

Zusätzlich zur - recht vagen - (Negativ-)Definition in Ziff. 5.4.2 DCGK will die Kommission daher einen Kriterienkatalog für fehlende Unabhängigkeit aufstellen - wobei klargestellt werden soll, dass die Kodexempfehlungen zur Unabhängigkeit nur die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat betreffen. Der Katalog berücksichtigt zum einen die Unabhängigkeit vom Vorstand und zum anderen die Unabhängigkeit von einem kontrollierenden Aktionär. Danach soll als nicht unabhängig gelten, wer

  • in den letzten zwei Jahren dem Vorstand der Gesellschaft angehörte,

  • wesentliche geschäftliche Beziehungen zur Gesellschaft unterhält,

  • wesentliche zusätzliche Vergütungen von der Gesellschaft erhält (Bsp.: nachlaufende LTI-Vergütungen),

  • in einer familiären Beziehungen zu einem Vorstandsmitglied steht,

  • kontrollierender Aktionär ist oder einen kontrollierenden Aktionär vertritt - „Kontrolle“ bedeutet dabei eine nachhaltige faktische Hauptversammlungsmehrheit,

  • seit mehr als zwölf Jahren dem Aufsichtsrat angehört, oder

  • in den letzten zwei Jahren verantwortlicher Prüfungspartner des Abschlussprüfers war.

Der Aufsichtsrat kann zwar in seiner Einschätzung der Unabhängigkeit von diesen Kriterien abweichen, muss dann aber erklären, weshalb er trotz Einschlägigkeit des einen oder anderen Kriteriums von der Unabhängigkeit des Mitglieds ausgeht.

Veröffentlichung der Neufassung für 2019 geplant
Zum Zeitplan kündigte der Kommissionsvorsitzende an, dass zunächst auf die Vorlage des ersten Referentenentwurfs des Umsetzungsgesetzes zur Aktionärsrechterichtlinie gewartet werden muss. Im Anschluss soll der Entwurf des überarbeiteten Kodex vorgelegt und in das Konsultationsverfahren eingetreten werden. Die Neufassung des Kodex selbst soll dann zeitnah nach dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes (Juni 2019) veröffentlicht werden.

Ob die anstehende Kodexreform „der große Wurf“ werden wird, bleibt abzuwarten. Die bisherigen Ankündigungen lassen jedoch hoffen, dass ein Schritt hin zu weiterer Präzisierung und besserer Lesbarkeit getan wird.

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