ArMiD-Stellungnahme zu den Kodex-Änderungsvorschlägen 2022

ArMiD-Stellungnahme zu den Kodex-Änderungsvorschlägen 2022

Brief des ArMiD-Vorstands an den Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Nonnenmacher,

gerne nehmen wir zu den Kodex-Änderungsvorschlägen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) vom 21. Januar 2022 im Namen unserer Vereinigung ,,Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V.' (ArMiD) Stellung und bedanken uns für die Arbeit der Kommission und für das transparente Konsultationsverfahren.

Vorbemerkung
Die vorgeschlagene Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Vorschriften des DCGK entspricht
vom Grundsatz her der zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion. Allerdings ist 
die Frage des eigentlichen Unternehmensinteresses im Sinne eines Stakeholder-Ansatzes, wie es 
offensichtlich die Regierungskommission sieht, nicht gesetzlich  geregelt und wird zum Teil kontrovers diskutiert. Der Begriff des Unternehmensinteresses wird mehrheitlich so verstanden, dass die Interessen der unterschiedlichen Interessengruppen zu berücksichtigen sind. Es geht also nicht explizit um einen Interessenausgleich. Umstritten ist nämlich, ob es nicht unterschiedliche Gewichtungen von Aktionärsinteressen gegenüber anderen Stakeholdern gibt. Die Ausführungen der Regierungskommission zur Begründung des Entwurfs des geänderten DCGK haben wir zumindest so interpretiert, dass eine Veränderung des Koordinatenkreuzes der unterschiedlichen Interessengruppen erreicht werden soll. Darüber lässt sich allerdings trefflich streiten, wenn etwa der Zielkonflikt zugunsten des Nachhaltigkeitsziels und zu Lasten der Gewinnausschüttungen der Aktionäre aufgelöst werden soll. Dies steht zumindest heute im Widerspruch zu den Implikationen des deutschen Aktiengesetzes, in dem die Aktionärsinteressen unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Stakeholder vorrangig sind

Unsere Anmerkungen zu den Änderungsvorschlägen für den DCGK

Nachfolgend mochten wir unsere Anmerkungen auf einige wenige Punkte fokussieren.

Empfehlung A.1:
Es wäre aus unserer Sicht wünschenswert, wenn in der Darstellung der Unternehmensstrategie explizit auch auf die besonderen Belange des jeweiligen Unternehmens eingegangen würde.

Grundsatz D. 3:    
Unseres Erachtens überschreitet die vorgeschlagene intensive Einbeziehung des Prüfungsausschusses bzw. des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses in der Abschlussprüfung bzw. die Erarbeitung des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems    den aktienrechtlichen Grundsatz des deutschen Two Tier-System. Der Aufsichtsrat ist Überwachungsorgan für den Vorstand und sollte sich auch darauf konzentrieren.

Grundsatz D. 4:
Die Erweiterung des Anforderungsprofils für den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses um Kenntnisse und Erfahrungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte noch einmal überdacht werden. Bereits heute ist das Anforderungsprofil für den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses sehr umfangreich. Es sollte genügen, wenn diese Kenntnisse und Erfahrungen von anderen Mitgliedern des Prüfungsausschusses eingebracht werden. Im Übrigen ist es unseres Erachtens zu hinterfragen, ob es sinnvoll ist, kurz nach den aktienrechtlichen Änderungen durch das FISG die Anforderungen an die Kompetenzen im Prüfungsausschuss   durch den DCGK weiter zu erhöhen.

Generell möchten wir noch anmerken, dass die im Zusammenhang mit den neuen Kodex-Vorschlägen von der Presse zitierten Bemerkungen des Vorsitzenden der Regierungskommission, nach denen er damit rechnet, dass in vielen Aufsichtsräten jetzt auch Nachhaltigkeitsausschüsse gebildet wurden, von uns in dieser Breite nicht geteilt werden. In nicht wenigen kapitalmarktorientierten Unternehmen gibt es heute noch dreiköpfige Aufsichtsräte. Für diese stellt sich schon heute nach dem FISG die Thematik eines personenidentischen Prüfungsausschusses. Hier ist ein weiterer personenidentischer Nachhaltigkeitsausschuss nicht zu erwarten. Wir gehen allerdings davon aus, dass es dort, wo es das Aktiengesetz erlaubt, aufgrund der Vielfalt der neuen Aufgaben und Kompetenzfelder zu einer Erhöhung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder um ein oder zwei Personen kommen wird. Hier zeigt sich, wie richtig und wichtig die im Jahr 2015 von ArMiD mitinitiierte Änderung von § 95 AktG gewesen ist.

Zum Schluss möchten wir noch einmal ein Anliegen aufgreifen, dass unsere Vereinigung ArMiD bereits im Rahmen des Konsultationsverfahrens 2018/19 angesprochen hatte. Unsere Vereinigung, in der inzwischen immerhin über 700 Unternehmen durch unsere Mitglieder repräsentiert sind, vertritt auch viele Aufsichtsrate und Beirate nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen. Von diesen wissen wir, dass für mittelgroße und auch junge Unternehmen der Gang an den öffentlichen Kapitalmarkt auch aus Gründen zunehmender Transparenzanforderungen und Corporate Governance-Vorgaben immer unattraktiver wird. Daraus ziehen wir u.a. den Schluss, dass der Deutsche Corporate Governance Kodex ein Kodex eigentlich nur für die größten 100 börsennotierten Unternehmen ist. Die Besonderheiten von mittelgroßen und kleineren Kapitalmarktunternehmen, die zu wesentlichen Teilen häufig noch im Familienbesitz sind, werden praktisch nicht adressiert.

Auswertungen zur Kodex-Akzeptanz und Kodex-Anwendung aller an der Frankfurter Wertpapierbörse im Regulierten Markt gelisteten Gesellschaften haben gezeigt, das es eine Reihe von signifikanten Abweichungen bei der Akzeptanz des aktuellen Kodex zwischen Unternehmen des (früheren) DAX 30 und MDAX einerseits und Unternehmen in den übrigen Marktsegmenten andererseits gibt. Hier sehen wir durchaus Ansätze, zu differenzierten Kodex-Vorgaben für Großunternehmen einerseits und mittelgroßen Familienunternehmen am Kapitalmarkt andererseits zu kommen. Dies konnte etwa gelten für die Vorgaben zur Aufsichtsratszusammensetzung, der Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen, der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern und der Vorstandsvergütung, ohne dass diese Unternehmen gleich mit dem Stigma von berichteten Kodex-Abweichungen leben müssen. Wir würden uns freuen, wenn wir hierzu in einen Austausch mit Vertretern der Regierungskommission kommen könnten.

Sehr geehrter Herr Professor Nonnenmacher, wir hoffen mit unseren kritischen Anmerkungen einen Beitrag zu einer konstruktiven Diskussion um die Zukunft des Kodex allgemein und zu den aktuellen Vorschlägen der Kommission im Einzelnen zu leisten.

Mit besten Grüßen
Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V.
Klaus Jaenecke, Vorsitzender des Vorstands
Dr. Klaus Weigel, Mitglied des Vorstands
 

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